Was haben die Städte Kalkar und Sassnitz gemeinsam?

Screenshot: www.wunderlandkalkar.eu/de

In der Stadt Kalkar am linken Niederrhein steht eine der größten Investitionsruinen der deutschen Geschichte. Rund sieben Milliarden D-Mark soll das Projekt die deutschen Steuerzahler gekostet haben. Ursprünglich sollte das Kernkraftwerk Kalkar als s.g. Schneller Brüter genutzt werden. Das Kraftwerk wurde zwar fertiggestellt, jedoch nie in Betrieb genommen, blieb ungenutzt und stand jahrelang leer. 1995 kaufte der niederländische Unternehmer Hennie van der Most das Gelände und verwandelte es in einen Freizeitpark. Er investierte in den Umbau des Kraftwerks und eröffnete 1996 einen Freizeitpark, das Wunderland Kalkar.

Der Freizeitpark bietet heute eine Vielzahl von Attraktionen für Besucher jeden Alters. Es gibt Achterbahnen, Karussells, Wasserrutschen, Indoor-Spielplätze und vieles mehr. Es verfügt über verschiedene Restaurants, Hotels und Veranstaltungsräume.
Die Geschichte vom Wunderland Kalkar ist geprägt vom erfolgreichen Widerstand gegen ein ungeliebtes Kernkraftwerk und von seiner Transformation zu einem beliebten Freizeitpark. Das Projekt hat Arbeitsplätze geschaffen und die Region wirtschaftlich belebt. Heute zieht das Wunderland Kalkar jährlich tausende Besucher an und ist zu einem wichtigen touristischen Ziel geworden. Es ist interessant zu sehen, wie aus einem ehemals äußerst kontroversen Bau, einem Kernkraftwerk, ein Ort der Freude und Unterhaltung entstanden ist.

Der Freizeitpark zeigt uns aber auch einen bedeutsamen Fakt auf. Fakt ist, dass anhaltend starker Widerstand von Bevölkerung, Umweltschützern und Anwohnern „wahre Wunder vollbringen können“. – Nicht von ungefähr heißt der Freizeitpark Wunderland Kalkar.

Es kam seinerzeit zu ungeahnten Protesten und Demonstrationen gegen das geplante Kernkraftwerk. Bspw. am 24. September 1977 kam es zu einer Demonstration, bei der sich rund 40.000 Umweltschützer einem Aufgebot von mehr als 9.000 Polizisten aus fünf Bundesländern konfrontiert sahen. Aber die Gegner des Kraftwerks ließen nicht locker, denn sie waren besorgt über mögliche Unfälle und die Freisetzung von umweltschädlichen Stoffen. Auch in der regionalen Politik wurde das Projekt als das „Vorzeigeprojekt der Stromindustrie, im Schulterschluss mit der damaligen Bundesregierung“ kontrovers diskutiert. Während des Baus traten zudem verschiedene technische Probleme auf, die zu Verzögerungen und zu Kostenexplosion führten. Diese Probleme verstärkten die Kritik am Projekt zusätzlich. Spätestens nach der Reaktorkatastrophe Tschernobyl 1986 rückte auch die Nordrhein-Westfälische Landesregierung von dem Vorzeigeprojekt ab. Gegen die massiven Widerstände konnten sich Bundesregierung und Stromwirtschaft letztlich nicht durchsetzen.

So schwingen noch heute Achtung und Bewunderung mit, wenn in Kalkar-Hönnepel von „Bauer Maas“ gesprochen wird. Jochen Maas war Landwirt in Hönnepel, ein überzeugter Christ und Symbolfigur des juristischen und öffentlichen Widerstands gegen das Kernkraftwerk. 1991 kam dann das offizielle Aus. Und so bewahrheitete sich, was Sänger Frank Baier in seinem „Lied vom Bauern Maas“ prognostizierte: „In Kalkar soll kein Kraftwerk, kein Schneller Brüter stehen.“

Mit einer gewissen Ironie darf man an dieser Stelle zur Kenntnis nehmen, dass die Diskussionen um die Nutzung der Kernenergie ein wichtiger Anstoß zur Gründung der Partei „Die Grünen“ waren. Gut 30 Jahre später machen sich sowohl der „grüne“ Vizekanzler Habeck als auch Kanzler Scholz für das LNG-Terminal, gegen den in seiner Heftigkeit und Hartnäckigkeit absolut ungeahnten Widerstand der Zivilbevölkerung stark. – Ein Schelm, wer zwischen Kalkar und Sassnitz Parallelen sieht!

Und so ganz nebenbei: was machen wir denn nachher mit unserem Wunder-Terminal?
Komplett rückbauen, oder einen Teil davon als Mahnmal der Hybris nutzen?

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